Café Bornträger
- 43 m2
- 2 + 25 Gäste
- 250.000,-
- Ein winziges, liebenswertes Kleinod
Es hat sich wirklich gelohnt, aus einer heruntergekommenen, fast vergessenen Bedürfnisanstalt mit viel Engagement ein Kleinod zu schaffen: ein liebenswertes winziges Café in Berlin-Pankow.
Der Ort, an dem sich das „Stille Örtchen“ befand, ist der Humannplatz direkt im Kiez. Der Platz bietet für alle Altersstufen im Quartier Spiel-, Sport- und Erholungsflächen.
Schon bereits im sogenannten Hobrechtplan war der Ort als Brandschutzfläche vorgesehen. Das war der Bebauungsplan von Wasserbauingenieur und Regierungsbaumeister James Hobrecht für die Umgebungen Berlins aus dem Jahre 1862. Typisch für den Schmuckplatz des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist die symmetrische Anordnung, eine Freifläche in der Mitte und die Einrahmung mit Baumreihen und Büschen.
Mit kleinen Änderungen der Ursprungsplanung wurde der Platz 1903 realisiert. Nach dem Ingenieur, Architekt und Archäologen Carl Humann benannt, und gärtnerisch zwischen 1910– und 1912 erstmalig gestaltet, war es von Anfang an ein erholsamer Treffpunkt.
Wegen der Nahrungsmittelknappheit wurde nach dem zweiten Weltkrieg zwischenzeitlich auch mal Gemüse angebaut, später wurde wieder ein Spielplatz errichtet. Die vier Ecken, ursprünglich mit je zwei Platanen bepflanzt, sind immer noch die Eingänge zum Park und an einer dieser Ecken wurde 1936 ein Toilettenhäuschen im Stil der neuen Sachlichkeit gebaut. Mitte der 1990er wurde die öffentliche Bedürfnisanstalt geschlossen und verkam zusehends.
Im Juni 2011 wurden mit Mitteln vom städtebaulichen Denkmalschutz Umgestaltungsmaßnahmen für den Platz begonnen.
Christine Morgan hatte damals ein normalgroßes Restaurant und träumte davon, Verantwortung abzugeben, weniger zu tun zu haben, in einer kleinen Imbissbude an einer befahrenen Straße mit einer Bahn einfach Currywürste zu verkaufen. Da entdeckte sie 2013 das verfallene, Graffiti-übersäte kleine Gebäude im Park. Und sofort ging das Gedankenkarussell los: Was wäre wenn…???
Kurzerhand fragte Christine in der Stadtverwaltung nach und blieb hartnäckig. Sie wollte ein Café eröffnen! Sie handelte einen Vertrag als Pächterin aus und konnte so von Anfang an Einfluss auf alle Entscheidungen nehmen.
Ich arbeitete damals angestellt im Ingenieurbüro Landherr und wurde mit der Aufgabe betraut, die Ausführungs- und Genehmigungsplanung für die Umnutzung zu erarbeiten. Es gab viele Bedingungen unter einen Hut zu bringen:
- Nutzung als Café in Absprache mit der Pächterin
- Mini-Küche,
- WC (öffentliches WC entfiel letztendlich wegen Platzmangel)
- kleines Lager im Keller
- Abriss des Pissoirteils und Ersatzbau als Wintergarten für die Gäste
- Gestaltung
- Genaues Planen der Wiederverwendung von Klinkern aus dem Abriss im Gefüge des Klinkerverbandes
- Aufnehmen der vorhandenen Gebäudestruktur und Materialien
- Vorgaben des Gesundheitsamtes bezüglich der Hygiene für die Mini-Küche
- Anordnung der Geräte und Einbauten unterliegt festen Regeln
- Vorschriften für Oberflächen und Materialien
- Denkmalschutz
- Türen und Fenster wurden mit den neuesten Anforderungen an Wärme-, Schall- und Einbruchschutz im ursprünglichen Erscheinungsbild nachgebaut und teilweise sogar nur als Attrappen verwendet
- Farbstudien erstellen, also vorsichtiges Abkratzen der einzelnen Schichten, welche sich im Laufe der Jahre bei den Renovierungen ergeben, bis zum allerersten Farbauftrag
- Schonendste Beseitigung der Graffitis durch Sandstrahlen und
- Entscheidung, welcher Anti-Graffiti-Schutz für die Klinker der Beste ist
- Statik
- Die Stahlsteindecke war zu verrostet und musste komplett entfernt und neu eingebaut werden
- Der Keller wurde getrocknet und gegen Feuchte saniert
- Naturschutz
- die Wurzeln der über 100-jährigen Platanen wurden händisch in 70 Arbeitsstunden freigelegt, in Jutesäcke eingewickelt und täglich mehrfach bewässert – sie haben es zum Glück überlebt
Die Absprachen und Planung haben viel Zeitaufwand und Energie bedeutet und gleichzeitig enorm Spaß gemacht, weil es sich gut anfühlt, Dinge zu retten, ihnen ein neues Leben einzuhauchen. Einfach, weil die Arbeit dadurch einen Sinn erfährt.
Seit April 2015 hat das Café Bornträger mit der Pächterin Christine Morgan eröffnet. Es gibt Kaffee, auf dessen Qualität und Herkunft Christine besonderen Wert legt. Softeis, täglich selbstgebackenen Kuchen und auch Herzhaftes. Auf jeden Fall ist alles, was angeboten wird, mit Liebe verfeinert und superlecker!
„Dieses Häuschen ist einfach wunderschön. Selbst, wenn es ganz leer wäre mit dem Wintergarten. Es ist einfach ein Kleinod! Es ist eine kleine Oase, weil es hier steht, wo es steht.“ schwärmt Christine, als ich sie besuche. Hier könnt ihr an unserem Gespräch teilhaben:
Was ist das Besondere an dem Ort?
„Genau das, was ich haben wollte, habe ich und es gab den Park dazu – der perfekte Ort. Es ist ein erstaunlich guter Kompromiss zwischen Natur und Stadt. Vor allem wenn man vorne im Wintergarten sitzt und diesen Blick auf die Straße hat. Gut isoliert, sitzt man quasi gefühlt im Leben auf der Straße, auch im Winter mit Schnee, aber doch im Warmen und guckt eben nach draußen. Wenn die Bahn vorbeifährt, nimmt man es wirklich nur sehr leise wahr. Ich hätte auch was Größeres gemacht, aber ich habe mich einfach in dieses winzige Haus verliebt. Ich habe immer das Potential darin gesehen, auch wenn es ja wirklich eine stinkende, eklige Abrissbude war. Es gibt diverse ältere Leute, die nach wie vor nicht rein gehen weil sie es von früher kennen. Obwohl wir Teile abgerissen haben und nichts mehr nach Pipi riechen kann. Es damals auch so heruntergekommen. Das hatte für mich schon wieder den Reiz, dass es so zugetagt und so besprüht war. Für mich war das der Berliner Charme, aber für eine ältere Dame im Kiez mag das einfach nur schrecklich gewesen sein.“
Wie ist denn Dein aktuelles Gefühl zum Haus?
„Sehr gut, ja, also immer gut, solange alles läuft. Ich hatte zwischendurch ziemliche Dramen, so mit Wassereinbrüchen. Zehn Liter die Stunde lief mir das Wasser in den Keller. Es war wahrscheinlich ein geplatztes altes Wasserrohr im Park. Und unschön ist es, wenn ich ein neues Graffiti dran habe, was ich dann erstmal wieder auf eigene Kosten wegmachen muss. Diese Kosten bekomme ich zum Glück von der Stadt dann am Ende des Jahres erstattet. Zum Beispiel gerade – ganz praktisch – zahle ich deshalb keine Miete. Die Einflüsse von außen machen es mir manchmal ein bisschen schwer, mein Häuschen hier zu lieben.
Aber ansonsten steh ich spätestens jeden fünften Tag hinter dem Tresen und denke: Es ist schon echt der beste Arbeitsplatz! Einfach, offen, genauso wie ich es haben wollte. Dazu kommen natürlich auch meine unheimlich netten Gäste. Das ist so ein Völkchen, das tickt wie ich. Ja, es ist so eine Art Blubberblase hier. Irgendwie ist die Welt um den Humannplatz tatsächlich noch in Ordnung. Es gibt zwar einen Obdachlosen am Platz, um den wir uns dann auch alle gemeinsam kümmern. Eine soziale Nachbarschaft wohnt hier. Abends ist im Park noch recht viel los. Ich schließe um 18 Uhr, einerseits ist das Auflage, andererseits wegen meiner Kinder. Der Verkauf von Alkohol ist mir nicht gestattet, das ist sicherlich förderlich für die Sicherheit und auch deshalb ist es ein relativ ruhiger Platz. Vor dem Café zu sitzen mit einem Sundowner wäre natürlich schon nett.
Der großartige Vorteil als Selbstständige ist, dass man abends mit Freunden einfach mal draußen sitzen kann, als ob es der private Garten ist und ich bin dann auch niemandem rechenschaftspflichtig.“
Die Baukosten waren offiziell auf 250.000€ beziffert und wurden von der Stadt und der Denkmalpflege getragen. Was musste zusätzlich investiert werden?
„Auf die Baukosten hatte es einen großen Einfluss, dass Freunde mitgeholfen haben, sowohl mit Ideen, Arbeitskraft und auch Materialien. 35.000 € habe ich da reingesteckt und 15.000 € habe ich bestimmt durch meinen eigenen Einsatz gespart. Die Stadt hat alles netterweise komplett gefliest. Zum Beispiel das Regal über dem Tresen hätte ich mir sonst nicht leisten können. Dieses kleine architektonische Meisterwerk war schon ein teurer Posten. Es ist Klasse, weil es filigran wirkt, obwohl ein versteckter Träger über die ganze Länge eingebaut ist, es viel Stellfläche bietet und somit die Funktionalität hinter einer winzigen Theke enorm verbessert.“
Der Anbau als Gastraum ist mit 16m² knapp bemessen. Wie viele arbeiten hinter dem Tresen?
„Höchstens 2, maximal 3, wenn alle Stricke reißen, steht einer an der Spülmaschine und bewegt sich nicht vom Fleck. Normalerweise bin ich immer alleine und nachmittags zu zweit. 25 Sitzplätze sind in das Häuschen reingedrängelt, inklusive Barhocker. Dieses kleine Raumwunder hat mich selbst überrascht! Im Sommer sind es drinnen vier Plätze weniger, weil ich die Tür im Wintergarten aufmache. Dann habe ich dafür draußen zusätzlich 6-8 Tische. Der Platz für einen Home-Schooling-Tisch hat sich momentan auch gefunden.“
Gibt es eine Art Küchenparty-Feeling? Wenn es voll ist, ist es dann auch gemütlich?
„Darüber habe ich noch nie nachgedacht… Ich glaube eher nicht, dafür ist die Küche mit dem Regal und dem Tresen zu abgetrennt. Die Barhocker bieten auch nur 4 Plätze. Also, wenn gute Stimmung ist, dann ist die bei uns hinter dem Tresen auf jeden Fall auch. Das überträgt sich dann auch automatisch auf die Gäste. Generell ist es tatsächlich so, dass die Gäste unheimlich viel mitbekommen. Genau das ist es, was ich mag. Ich bin als Gastredner immer so ein bisschen auf Stage. Wenn ich hier rein gehe, dann ziehe ich meine Gastronomenkappe an und bin ein kleiner Unterhalter, ein kleiner Star. Die Leute kennen mich nicht wirklich privat, die meisten nenne ich allerdings beim Namen.“
Wozu fehlt Dir der Platz?
„Gerne hätte ich für das Konzept, dass ich gefahren habe, eine richtige Küche gehabt, weil es schwer ist, das Programm zu zweit zu stemmen. Manchmal ist es auch anstrengend, immer unter Beobachtung zu stehen. Es ist jetzt eine Art Showküche geworden. Das war so gar nicht beabsichtigt.“
Welchen Tipp würdest du anderen geben?
„Für eine Restaurant- oder Café-Eröffnung war der sogenannte vorauseilende Gehorsam oder vielleicht auch einfach Cleverness enorm wichtig. Zum Beispiel wurde alles ganz genau immer vorher mit dem Gesundheitsamt abgesprochen. Weil ich weiß, dass die Beamten alles umbauen lassen, wenn es ihnen nicht in den Kram passt und ich sowieso alles gefliest haben wollte, war es gut, vorher Farbe, Rutschfestigkeit und Höhe der Fliesenspiegel genau genehmigen zu lassen.
Eine große Herausforderung für mich war die Bautätigkeit – auf der einen Seite schön, auf der anderen Seite sehr anstrengend. Ich war immer dabei, jeden Tag auf der Baustelle, habe viel gelernt und konnte auch immer sofort eingreifen, wenn ich mir das anders vorgestellt hatte.
Alles verstehen, als Nutzer ernstgenommen zu werden usw. das ist hochgradig schwierig. Sich das Ganze vorzustellen, war die größte Herausforderung. Wir haben in der Küche schon alles vorher einmal mit Pappe aufgebaut, um einen Eindruck zu bekommen, wieviel Platz am Ende zum Arbeiten zur Verfügung steht. Der ganze Prozess von der ersten Idee bis zur Eröffnung war wahnsinnig aufregend, hat viele Nerven gekostet und es hat doch insgesamt alles super funktioniert.“
Danke für deine Zeit und weiterhin viel Freude mit dem Cafe, liebe Christine.